Walter Gropius und die Industriearchitektur im Briefwechsel mit Alma Mahler

Industriearchitektur, vor allem der Fabrikbau, spielte im Frühwerk von eine zentrale Rolle, wobei seine ersten eigenständigen Auseinandersetzungen mit der Thematik Ende 1910 bzw. Anfang 1911 einsetzten. Der Briefwechsel zwischen und umspannt zwar diese Zeit, dokumentiert diesbezüglich jedoch nur am Rande seine theoretische wie praktische Beschäftigung.

Die Bedeutung der erst durch die Industrialisierung entstandenen Bauaufgabe „Fabrik“ lernte bereits während seiner Tätigkeit von 1908 bis 1910 im Architekturbüro von kennen, der genau zu dieser Zeit eine monumentale Industriearchitektur für die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) entwickelte. Obwohl nicht direkt mit den Fabrikbauten für die AEG betraut war und auch nach dem Ausscheiden aus dem ’schen Büro anfangs andere Bauaufgaben in den Blick nahm (siehe Bismarcknationaldenkmal), wandte er sich gegen Ende des Jahres 1910 dem Thema wieder zu: Durch die Vermittlung seines Freundes und Förderers wurde im Dezember 1910 in den Deutschen Werkbund aufgenommen, der sich dem Zusammenwirken von Kunst und Industrie widmete und mit einer groß angelegten Wanderausstellung vor allem den Industriebau in den Fokus genommen hatte (siehe , S. 202–207). Bereits wenige Wochen später stand außerdem in Verhandlungen um den Entwurf für das (: , Inv.-Nr. 6212/2) in Alfeld, ein Auftrag, den sein Schwager vermittelt hatte. Zeitgleich hielt am 10. April 1911 einen Vortrag mit dem Titel „Monumentale Kunst und Industriebau“ im Folkwang-Museum von in Hagen (), wurde ab Juli 1911 mit der Neukonzeption der Industriebau-Ausstellung des Deutschen Werkbundes betraut und veröffentlichte in der Folge mehrere Aufsätze zum Thema in den Jahrbüchern des Deutschen Werkbundes und weiteren zeitgenössischen Architekturzeitschriften (, S. 216). Zudem erhielt zusammen mit 1913 den Auftrag für von 1914 (: , Inv.-Nr. 2006/21.7), die den öffentlichen Durchbruch von vor dem Ersten Weltkrieg markierte (, S. 66–87) und auch von wahrgenommen wurde (siehe unten).

Obwohl der Briefwechsel mit genau die Zeit dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Industriebau umspannt, finden sich nur wenige Briefentwürfe, in denen das Thema erwähnt wird. Am ausführlichsten schilderte seine Gedanken zur Fabrik in WG119, zwischen 29. Januar und Mitte Februar 1911 entstanden. Über eineinhalb Seiten umriss darin eine Art ideale Fabrik, die er sich in Gedanken ausmalte: ganz aus weißem Beton […], nichts wie nackte Mauern mit Löchern darin \große Spiegelglasscheiben/ u ein schwarzes Dach. Eine große reine, reich gegliederte Form durch keine kleinen Farbunterschiede \malerische Valeurs/ u Architektürchen gestört muß durch die hellen Wände u Schlagschatten wirken \einfach – groß/\eine ägyptische Ruhe/. Die Betonung der massiven, geschlossenen Form, deren Klarheit nicht durch ornamentale Details verunklärt, sondern durch Kontraste betont wird, zeigt dabei eine starke Nähe zu und dessen Vorstellung einer monumentalen Architektur, die die „großlinige Gesamtwirkung […][,] nicht das Zierliche, Anmutige, Launige“ () verfolgen sollte. Ganz ähnliche Gedanken hatte auch in seinem Vortrag „Monumentale Kunst und Industriebau“ in Hagen am 10. April behandelt (), von dem er in einem Briefentwurf berichtete (WG131). In seiner Schilderung gab er jedoch nicht die Inhalte des Vortrages, sondern die erhoffte Wirkung auf das zum Teil recht würdige […] Publikum wieder: Meine revolutionierenden Ideen, die den Kunstmaterialisten heftige Stöße versetz[t]en[,] haben doch wenigstens einige und zwar mir die vollsten dieser Leute […] nachdenklich gestimmt und […] \das/ befriedigt mich. Offensichtlich schien der Erfolg seines Vortrages berichtenswerter als die eigentlichen Inhalte seiner Ausführungen zur Industriearchitektur. Im selben Briefentwurf an berichtete er auch davon, dass er den Auftrag für das in Alfeld erhalten hatte – die einzige Erwähnung innerhalb der Briefentwürfe des für ihn ab 1911 so bedeutenden Auftrags. Nur an einer weiteren Stelle (WG213) erwähnte den Namen Fagus noch einmal, jedoch nur um darüber zu informieren, dass er beruflich nach Alfeld reisen musste. Von seiner Werkbund-Mitgliedschaft berichtete er ebenso wenig wie von der Neukonzeption der Industriebauausstellung für den Werkbund, nur vereinzelte Arbeitsnotizen (Muthesius, zentraler Wortführer des Werkbundes, in WG108, oder Stoedtner, Fotograf der neu konzipierten Ausstellung, in WG184) dokumentieren die zeitgleiche Tätigkeit. Ob seine Beschäftigung mit dem Industriebau gegenüber tatsächlich nie erwähnte, ihr persönlich ausführlicher davon berichtete oder ob seine finalen Briefe entsprechende Passagen enthielten, die keiner Vorbereitung in Briefentwürfen bedurften, lässt sich heute nicht mehr nachweisen.

In Briefen findet sich keine einzige Erwähnung des für so relevanten Themas – bis Mitte 1914, zur Eröffnung der Werkbundausstellung in Köln. Über das großangelegte Prestigeprojekt der Kölner Werkbundausstellung wurde in der Presse ausführlich und über die Grenzen Deutschlands hinaus berichtet, wodurch auch vom öffentlichen Durchbruch erfahren hatte: Trotz teilweiser harscher Kritik an der Ausstellung insgesamt wurde, als einer von wenigen, der Beitrag von und aufgrund seiner Neuartigkeit als besonders gelungen hervorgehoben (, S. 285–295). Dementsprechend zeigte sich voller Lob: Oh – wie freue ich mich über Deine wunderbaren Werke in Cöln! — […] So hast Du also Deine Stärke und Kraft gefunden! – ! – (AM153). Sein Erfolg in Köln schien auch den Ausschlag gegeben zu haben, nach langer Zeit wieder ein Treffen mit zu planen – zu dem es jedoch, nicht zuletzt aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges, erst sehr viel später kommen sollte.

A

Abb.: Edmund Lill, Fotografie des Fagus-Werkes in Alfeld an der Leine von Walter Gropius und Adolf Meyer (1912); Hauptgebäude von der Bahnseite.

B

Abb.: Unbekannt, Bürohaus mit Musterfabrik und Deutz-Pavillon für die Werkbundausstellung in Köln von Walter Gropius und Adolf Meyer (1914); Gesamtansicht.